Verlorene Hoffnungen – Prostitution als letzter Ausweg für viele Frauen in Marokko

Soziale Ungleichheit – ein stilles Fundament von Ungerechtigkeit

In Marokko ist Prostitution offiziell verboten, doch sie gehört zum Alltag vieler Städte, sichtbar oder verborgen. Hinter den Fassaden verbergen sich oft tragische Schicksale und Geschichten von Frauen, die nicht freiwillig diesen Weg gewählt haben. Es sind nicht nur wirtschaftliche Umstände, die sie in diese Lage zwingen, sondern auch tief verwurzelte gesellschaftliche Probleme, fehlende Unterstützung und soziale Stigmatisierung.

Soziale Ungleichheit ist kein neues Phänomen, doch ihre Auswirkungen sind tiefgreifend und allgegenwärtig – besonders in Gesellschaften, in denen Armut, Bildungslücken und patriarchale Strukturen eng miteinander verflochten sind. Sie bestimmt, wer Chancen bekommt und wer nicht, wer gehört wird und wer unsichtbar bleibt. In Ländern wie Marokko zeigt sich diese Ungleichheit besonders drastisch: Während einige im Wohlstand leben, kämpfen andere ums Überleben – vor allem Frauen, die mehrfach benachteiligt sind. Dieses Gefälle ist nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern auch eine soziale und moralische Herausforderung. Es ist höchste Zeit, darüber zu sprechen.

Armut – Der häufigste Auslöser

Für viele Frauen ist Armut der Hauptgrund, weshalb sie sich der Prostitution zuwenden. In ländlichen Regionen Marokkos sind Arbeitsmöglichkeiten für Frauen stark eingeschränkt. Ohne Schulbildung und ohne Zugang zu stabilen Einkommensquellen bleibt vielen nur der Weg in die Städte – oft in der Hoffnung auf Arbeit als Hausangestellte oder Verkäuferin. Doch die Realität ist oft härter: Ausbeutung, schlechte Bezahlung oder gar keine Arbeit. Wenn der Druck wächst, sich selbst und eventuell Kinder zu versorgen, wird Prostitution zur scheinbar einzigen Möglichkeit, Geld zu verdienen.

Scheidung – und dann?

In einer stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft wie Marokko bedeutet eine Scheidung für viele Frauen den sozialen und wirtschaftlichen Absturz. Obwohl das marokkanische Familienrecht gewisse Rechte für Frauen vorsieht, sind sie in der Realität häufig auf sich allein gestellt. Unterhalt wird nicht gezahlt, staatliche Hilfen sind nicht vorhanden. Ohne familiäre Unterstützung stehen viele Frauen plötzlich vor dem Nichts – und einige sehen in der Prostitution die letzte Überlebenschance.

Der Verlust der Jungfräulichkeit – und die zerstörte Zukunft

Ein weiterer, häufig tabuisierter Aspekt ist der gesellschaftliche Druck rund um das Thema Jungfräulichkeit. Frauen, die vor der Ehe sexuelle Erfahrungen machen – sei es aus Liebe, Naivität oder durch leere Versprechungen – verlieren in den Augen der Gesellschaft oft ihren „Wert“. In einem Land, in dem die Ehe häufig der einzige anerkannte soziale und wirtschaftliche Schutz für eine Frau ist, bedeutet das Ausgeschlossenwerden aus der „Heiratsfähigkeit“ oft den sozialen Tod. Einige dieser Frauen, die von den Familien verstoßen oder beschämt wurden, enden auf der Straße – ausgegrenzt und ohne Perspektive.

Der Reiz des schnellen Geldes

Nicht alle Frauen geraten aus extremer Not in die Prostitution. Es gibt auch Fälle, in denen junge Frauen – etwa Studentinnen oder Frauen aus ärmeren, aber nicht hoffnungslosen Verhältnissen – sich durch „gelegentliche Treffen“ mit wohlhabenden Männern ein besseres Leben finanzieren wollen. Die Motive reichen von teuren Handys über Kleidung bis hin zur Unterstützung der Familie. Die Grenze zwischen „Sugar Dating“ und Prostitution ist dabei oft fließend.

Ein unsichtbares Leiden

Das Thema wird in Marokko weitgehend totgeschwiegen. Frauen in der Prostitution sind nicht nur juristisch kriminalisiert, sondern auch sozial geächtet. Die wenigsten schaffen es, aus diesem Milieu auszubrechen. Hilfeeinrichtungen sind rar, staatliche Unterstützung kaum vorhanden, und viele Frauen scheuen sich, sich an Hilfsorganisationen zu wenden – aus Scham, Angst oder Misstrauen.

Das Abhauen von häuslicher Gewalt

Für viele Frauen in Marokko ist das Verlassen eines gewalttätigen Zuhauses keine Befreiung, sondern der Beginn eines neuen Albtraums. Ohne staatliche Schutzmechanismen, Frauenhäuser oder soziale Unterstützung bleibt ihnen oft nur die Flucht ins Ungewisse. Viele kehren notgedrungen zu ihren gewalttätigen Partnern zurück – aus Angst vor Obdachlosigkeit, Armut oder gesellschaftlicher Stigmatisierung. Andere landen auf der Straße und geraten in ein gefährliches Milieu, in dem sie leicht ausgebeutet oder in die Prostitution gedrängt werden. Häusliche Gewalt ist kein Einzelschicksal, sie ist ein strukturelles Problem, das Frauen in eine scheinbar ausweglose Lage bringt.

Fazit

Die Entscheidung, sich zu prostituieren, ist in den allermeisten Fällen keine freie Wahl, sondern das Ergebnis von Druck, Ausgrenzung und fehlenden Alternativen. Solange Armut, soziale Ungleichheit und patriarchale Strukturen in Marokko bestehen, wird sich daran wenig ändern. Es braucht gezielte Maßnahmen: bessere Bildung für Mädchen, wirtschaftliche Förderung von Frauen, rechtlichen Schutz nach Scheidungen und eine offene, ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität – frei von Heuchelei und doppelten Moralstandards.

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